Saturday, December 29, 2012

Viel zu gefährlich

Dieser Blogpost ist definitiv völlig egoistisch. Ich hab diese Konversation schon so häufig führen müssen, daß ich es einfacher finde, einen Link zu verschicken. Ein bißchen wie bei der Arbeit. Ich investiere lieber ein paar Stunden in ein Trainingvideo als zum hundertsten Mal dieselbe Frage beantworten zu müssen. 

Also, warum fahre ich Motorrad, wo das doch soooo gefährlich ist?

Alle paar Minuten stirbt ein Motorradfahrer oder wird schwer verletzt. Motorradfahrer haben keine Knautschzone, werden ständig übersehen und sind einfach die schwächeren wenn es zu Kollisionen mit anderen motorisierten Verkehrsteilnehmern kommt. Und dennoch, ich fahre weiterhin Motorrad.

Es ist wahr, keine Knautschzone. Der Helm, die Handschuhe, Jacke und Hose die gut gepolstert sind und mir regelmäßig bewundernde Blicke von Frauen einbringen, ist das einzige, was zwischen Asphalt und mir liegt. Autofahrer sind meistens mit anderen Dingen beschäftigt, als mit Autofahren. Lesen, Radiohören, SMS schreiben oder Lesen, den Weg auf Google Maps finden, Telefonieren, Schlafen, Essen, Rauchen, etc. Und darüberhinaus sind sie in den USA noch nicht mal anständig ausgebildet. Nicht jedes Land verlangt Unsummen von seinen Bürgern, um ein Auto bedienen und auf unschuldige Passanten und Motorradfahrer losgelassen werden zu dürfen... Allerdings sind sie hier um einiges netter und rücksichtsvoller. Wenn sie Dich sehen...

Und dennoch. Trotz all der Gefahren, trotz der 98%igen Wahrscheinlichkeit, zu Tode zu kommen, trotz der so unglaublich unvorteilhaften Kleidung, die die breiten Schultern noch breiter und den dicken Hintern noch dicker macht, dennoch fahre ich weiterhin Motorrad.

Wenn ich es erst einmal geschafft habe, mich in Hose, Stiefel, Jacke, Handschuhe und Helm zu zwängen und die Maschine warm genug ist, um nicht an der nächsten Ampel wieder abzusaufen, wenn sie schnurrt, vibriert und sich anfühlt, als ob sie es kaum erwarten könnte, endlich auf den Freeway zu kommen, um sich auszutoben, wenn sie auf jede noch so kleine Bewegung von mir reagiert, sich in die Kurven legt, aufrichtet, mit Leichtigkeit so schnell wird, kleine Bocksprünge vor lauter Freude und Übermut zu machen scheint, die kalifornischen Highways entlang sprintet, als hätte sie nie etwas anderes getan. Dann gibt es nicht viel, was mich glücklicher macht. Das gleiche gilt für sie. So albern das klingt. Aber es ist einfach zu erkennen, ob ihr eine Strecke gefällt oder nicht. Sie mag nicht durch die Stadt fahren und an jeder Ampel halten (von grüner Welle hat hier noch niemand etwas gehört). Sie liebt kurvige Highways mit schnellen, geraden Abschnitten zwischendrin. Sie liebt es, schnell über den Freeway zu fahren. Wobei 160 km/h für sie nicht schnell sind. Für mich schon, angesichts der Fahrkünste der anderen Autofahrer und der Tatsache, daß hier immer Verkehr ist!

Darüber hinaus gibt es in Kalifornien so viele Straßen, die perfekt zum Motorradfahren sind aber auf denen Dir über Stunden hinweg kein Auto entgegenkommt. Ab und zu mal ein Reh, ein Eichhörnchen und jede Menge Insekten. Aber kein Auto. Das gefährlichste, abgesehen von den Kurven, ist die atemberaubende Natur. Man sollte sich nicht zu oft nach Redwoods oder einem weiteren tränenverursachenden Ausblick auf den Pazifik umdrehen. Immer schön den Blick auf die Straße!

Das ist ein weiterer Grund, weshalb ich so gern Motorrad fahre. Wenn ich fahre, denke ich an nichts anderes, als an die Straße und das Motorrad. Da ist kein Platz. Jede Ablenkung kann fatale Folgen haben. Somit ist es ähnlich wie Yoga oder Wakeboarding. Volle Konzentration. Kein Gedanke an die Arbeit oder alles andere, was sonst in meinem Leben passier. Straße, Autos, Wildwechsel, Maschine. Nichts anderes. 

Versuchs mal :-).

Sunday, December 02, 2012

Burning Man - bißchen verspätet


Meilen in Zahlen hören sich recht wenig an. 338 Meilen von San Francisco nach Black Rock City, zum Burning Man. Nur vergesse ich dabei immer, daß eine Meile mehr als eineinhalb mal so lang ist wie ein Kilometer. Das Tacho scheint sich überhaupt nicht zu bewegen, bei jedem Straßenschild mit Meilenangabe fragst Du dich: "Aber ich bin doch gerade soo lange gefahren und es sind immer noch soo viele...ach ja...Meilen!"

Mein Kollege und ich wollten mittags losfahren, noch kurz einkaufen und dachten, daß wir dann abends da sein sollten. Vielleicht auch etwas später, je nachdem, wie lang die Schlange vor dem Festivalgelände wäre.

Aber da hatte ich die Rechnung ohne die Meilen, meinen lateinamerikanischen Kollegen und die Sortierung amerikanischer Supermärkte gemacht. Als wir dann endlich alles besorgt und in unserem fiesen Cargovan verstaut hatten, war ich schon einmal komplett durchgeschwitzt (was bei der Aussicht auf vier Tage ohne Dusche nicht gerade zur Steigerung der Vorfreude beitrug) und es war mittlerweile vier Uhr nachmittags. Aber schließlich ging es, mit Klimaanlage auf Hochtouren, in Richtung Nevada und Wüste.

Die Strecke ab Sacramento über Tahoe und Reno ist wunderschön. Kurvig, bergig, waldig und ab und zu mit atemberaubenden Ausblicken. Als die Sonne immer tiefer sank, färbte sich der Himmel in orange-rot-lila. Die Konturen der Berge waren scharf gegen den Horizont zu erkennen und der fast komplette Vollmond stand am Himmel. Wir würden nicht nur unseren ersten Burning Man erleben, oder unseren ersten Burning Man bei Vollmond (der letzte bei Vollmond war vor 13 Jahren), nein, es war sogar ein "Blue Moon", also der zweite Vollmond innerhalb des selben Monats. Etwas, daß nur etwa alle 2.5 Jahre einmal vorkommt. Alle Zeichen standen auf "Richtiger Ort zur richtigen Zeit". 

Die "Straße" zum Event war eine sechsspurige Sand- oder besser Staubpiste. Höchstgeschwindigkeit war zunächst 10 Meilen dann 5 Meilen pro Stunde. Das ganze hatte etwas von einem Schildkrötenrennen. Es hatte auch etwas sehr unwirkliches, durch den Staub zu fahren, nur die Rücklichter der Autos vor uns, oder, wenn diese zu schnell unterwegs waren, gar nichts zu sehen. Und so krochen wir in Richtung Eingang. Die Wartezeit war erträglich. Allerdings gab es vier Schlangen. Die erste war dazu da, herauszufinden, ob man das Ticket schon in der Hand hatte oder es am "Will Call" Schalter abholen mußte. Hatte man ein Ticket, ging es direkt an Schlange Nummer 3. Wir hatten leider keines, somit mußten wir zunächst an Schlange Nummer 2. Schlange Nummer 3 diente dazu festzustellen, ob man unerlaubte Substanzen, Gegenstände oder blinde Passagiere an Bord hatte. Und danach ab zu Schlange Nummer 4. Die Begrüßungsstation! Jeder mußte aussteigen und wurde umarmt und willkommen geheißen. Da wir zum ersten Mal dabei waren, durften wir uns überdies in den Sand legen und ein wenig herumwälzen. Ich verzichtete, aufgrund meines doch sehr kurzen Kleides, meines pinkfarbenen Slips und des jungen Mannes, der direkt vor mir stand und mich aufmunternd anblickte, darauf, einen Sandengel zu formen. Auch wenn das vielleicht genau das war, was man beim Burning Man tun sollte. Gerade deshalb!

Alles in allem dauerte es etwa zwei Stunden bis wir um halb eins im Camp eintrafen. Ganz im Sinne von "First things first" wurde zunächst einmal auf unseren Trip angestoßen werden. Mit Champagner! Felipe hatte die hervorragende Idee, einige Gallonenflaschen Wasser einzufrieren und in eine große Kühlbox zu packen. Das hielt sich über Tage hinweg. Ich wünschte nur, wir hätten die gefrorenen Flaschen eher gegen etwas anderes zum Kühlen ausgetauscht. Zum Beispiel Alkohol :-).

Wir ordneten unser Gepäck nach "Easy Access" und dann machten wir uns auf den Weg zur Party. Tausende von Menschen, Wohnmobile oder eher Mobile Homes, Zelte, Camps, Sofas, Mottocamps, Orgiencamps (die mir allerdings zu ruhig vorkamen, als daß da dort wirklich etwas abgehen würde, das man als Orgie bezeichnen könnte), Art Camps, bunt und verrückt geschmückte und blinkende Fahrräder und Menschen. und all das mitten in der Wüste. Laute Musik dröhnte von überall her, ganze Clubs waren aufgebaut, Häuser, eine Mini-Wallstreet, Gärten, Paläste, Schiffe. Eine komplette Stadt. Aufgebaut aus dem Nichts, die in ein paar Tagen wieder völlig verschwunden, bzw. abgebrannt sein würde. Aber bis dahin sollten wir noch jede Menge Spaß haben.

Wir brachten es tatsächlich fertig, Jon, June, Helen und ihren Freund Kyle in dem Gedränge am Opulent Temple zu finden. Es war nicht ganz so einfach, wie in San Francisco, wo Jon üblicherweise der längste im Club ist. Außerdem waren viele verkleidet und, einer sah besser aus als der andere! Das konnten ja gute Tage werden! Und Nächte! Ich ließ Felipe bei den anderen, da ich bereits wieder auf Toilette mußte. Champagner, Wasser und meine spezielle Wodka Lemon Mischung: Wodka und Zitronensaft, zollten ihren Tribut. Und irgendwie muß ich immer besonders oft, wenn die Örtchen sich entweder besonders weit weg befinden, oder es sich lediglich um Dixieklos handelt. Allerdings waren dies die saubersten Dixieklos, die ich jemals benutzt habe. Und das nach Tagen in der Wüstenhitze und tausenden von Nutzern, die literweise Alkohol und extrem viele Drogen konsumiert hatten! Und, was auf mich zutraf: Powerriegel!

Als ich zurückkam, konnte ich die anderen nicht mehr finden. Ich tanzte und hielt nach ihnen Ausschau, aber es dauerte fast eine Stunde, bis ich ein bekanntes Gesicht sah. Brian, der Freund von Jons Bekannter. Der fand sofort Gefallen an meiner Wodkamischung und meinem Leuchtstick von Walgreens mit Walt Disney Prinzessinnenmotiv. Und schließlich fand er auch Jon und June. Allerdings schien Felipe verloren gegangen zu sein. Etwas, das sich über die nächsten Tage ständig wiederholen sollte. Entweder vergaßen wir ihn oder er war weg. Wir tanzten ein wenig und schließlich machten sich Jon und June auf den Weg zum RV, da June wohl ein wenig überdosiert hatte. Passiert schnell, wenn man gerade mal so viel wiegt, wie ein halbes Brot!

Wir tanzten und feierten und überraschenderweise war kein bißchen müde und richtig gut drauf. Im Nachhinein erfuhr ich, daß Brian dachte, ich hätte Drogen genommen. Haha, Schlafmangel, ein wenig zu viel Glück, körperliche Ertüchtigung können dieselbe Wirkung haben. Günstiger und ohne Nebenwirkungen! 

Als es langsam hell wurde, gingen wir zu einem anderen Club, einer zu drei Seiten offenen Pyramide, die direkt am Rande des Eventgeländes lag. Von dort aus konnte man direkt in die Wüste gehen. Und nicht mehr zurückkommen. Ich konnte es kaum erwarten, den Sonnenaufgang über der Wüste zu erleben. in diesem Club, tanzte ich mit einem großen Typen, der mit Fellmütze und weißer Fellweste fast aussah wie ein Eisbär. Oder ein großes Robbenbaby... Alex, das russische Robbenbaby, und ich haben getanzt und sind dann raus in die Wüste, um uns den Sonnenaufgang anzuschauen. Auch wenn die Sonne hinter den Wolken versteckt war, dort in der Wüste zu stehen, wo es kurz vor Sonnenaufgang immer kälter wurde (ganz Gentleman bot Alex mir sein "Robbenfell" an) und die Farben, die Stimmung und alles, was dort passierte, in sich aufzunehmen, war unbeschreiblich.

Alex brachte mich zurück zu meinem Camp und baute netterweise mein Zelt auf, bevor er zurück zu seinem Camp ging. So sollte das immer gehen. Einen Typen kennenlernen, ihn mit nach Hause nehmen, damit er mein Motorrad, meine Spüle oder sonst was reparieren, Lampen oder Regale anbringen, putzen oder aufräumen kann. Und ihn dann nach Hause schicken, wenn die Arbeit erledigt ist :-). Hier sei angemerkt, daß ich ihn zwei Tage später beim Burning Man und später noch einmal in San Francisco wiedergesehen habe und er ohne sein Eisbärenkostüm nicht annähernd so gut aussah. Mädels: Kostümfeste sind keine guten Gelegenheiten Männer kennenzulernen. Vor allem Perücken oder andere Kopfbedeckungen dienen meistens nur dazu, fehlende Haare zu kaschieren...

Ich fiel ins Zelt und versuchte zu schlafen. Blöderweise war mein Schlafsack für nachts zu kalt und für tagsüber zu heiß. Somit fror ich erst bis ich dann endlich einschlief, nur um halb elf schweißgebadet aufzuwachen, als die Sonne um den RV herumgeschlichen war und erbarmungslos auf mein Zelt brannte. Zeit zum Aufstehen!

Felipe hatte eine prima Nacht auf seiner bequemen Luftmatratze im kühlen Van verbracht. Aber mich hätten keine zehn Pferde dazu gebracht, mich neben ihn zu legen! Um die Hitze draußen zu halten, hatte er alle Fenster und Türen geschlossen und es roch im Van wie in einer Pumahöhle! Überdies schnarcht er so, daß man es durch geschlossenen Türen hören kann. Ich machte mich auf den Weg, mein Fahrrad vom Verleih abzuholen. Dort hatte ich dann auch die erste Gelegenheit, nach Wodka und meinem Leuchtstick an Brian, Batterien an ein Mädel zu verschenken, deren Fahrradlicht neue benötigte. Geschenke geben und bekommen war übrigens neben der Kreativität und der Natur das Beste am Burning Man. Endlich unter Menschen zu sein, die es ebenfalls als selbstverständlich ansehen, das, was man hat, mit anderen zu teilen. Jedem das zu geben, was er gerade und man selbst gerade nicht braucht. Und das ganze dieses Mal reziprok. Und ich habe mich nicht schlecht gefühlt, auch mal Geschenke anzunehmen!

Jon, June, Brian und ich machten uns dann auf den Weg, Kaffee zu kaufen. Wir verbrachten ein paar Stunden im Center Camp und ich verstand wieder einmal, warum Café Americano auf Eis nach Wasser mein liebstes Getränk ist! Wir schauten uns zwei Sänger und eine Tänzerin an und entspannten uns einfach nur, bevor wir dann wieder zurück zu unserem Camp liefen. Zusammen mit den anderen ging es dann zum Distrikt Camp, zur Nachmittagsparty.

Da war ich immer noch betrunken und aufgedreht genug, um nicht aufzufallen unter allen anderen, die gut was eingeworfen hatten. Helen war besonders gut drauf. Gerade mal eine Handbreit größer als June und eine Scheibe schwerer. Wir tanzten den ganzen Nachmittag, freuten uns über jedes Bißchen Wasser, das der nette Herr mit dem Tank auf dem Rücken über uns sprühte und hätten ewig so weiter machen können. Hier ein paar Eindrücke. 

Ich versuchte mich, nachdem wir den Sonnenuntergang betrachtet und ausgiebig fotografiert hatten, an einem kleinen Nickerchen, um für den nächsten Abend fit zu sein. Aber bevor ich einschlafen konnte, tauchte Mira auf. Ich zog mich also an, dieses Mal trug ich ein wenig weniger als am Abend zuvor. Boots, Overknees, kurzer Rock, Spitzenhandschuhe, Krawatte, Perücke, Hut, Hosenträger und zwei Aufkleber für die Nippel. Klingt nach ner Menge aber dennoch war ich fast nackt. Lark, Mira und ich machten uns auf den Weg zu ihrem Freund Chris, der uns in seinem Art Car, einem U-Boot namens "Nautilus" durch die Gegend fahren würde. Das war ziemlich cool. Der Ausblick und die Reaktionen der Leute bei unserem Anblick ließen mich mehr und mehr verstehen, was an Burning Man so faszinierte.

Dafür, daß das ganze ca. 500km weit vom Meer, mitten in einer der trockensten und staubigsten Gegenden der Welt stattfand, hatten viele der Kunstwerke ein maritimes Thema: U-Boot, Piratenschiff, gesunkenes Schiff, Fische, Pier, usw. Half aber nix. Es blieb trocken.

Wir fuhren auf die andere Seite des Playa und sahen zu, wie einige der Kunstwerke stilvoll in Flammen aufgingen. Auch wenn das auf den ersten Blick nach einer üblen Verschwendung ausschaut, hat es einige praktische Vorteile: es ist warm, es hat etwas spektakuläres und mystisches, das sehr gut zum ganzen Event passt, man muß den ganzen Kram nicht wieder abbauen, einpacken, abstauben, verstauen und nach Hause transportieren, sondern nur ein paar Tüten Asche mitnehmen. Und nächstes Jahr kann man wieder was neues bauen. Das sollten wir bei der Arbeit mal auch so machen!

Schließlich ging es wieder zurück zum Camp und nach ein bißchen mehr Alkohol auf zum ersten Club. Dazu fuhren wir mit dem Rad quer über den Plaza. Sehr spannend, etwas anstrengen und man bekommt jede Menge Staub in den Hals. Eine Weile später stellte ich fest, daß ich das Nickerchen definitiv gebraucht hätte. Darüber hinaus hatte ich die anderen verloren. Somit fuhr ich allein ins Camp zurück und ging schlafen. Und wieder wurde es unglaublich kalt!


Am nächsten Tag hingen wir einfach nur im Camp herum. Das Camp gegenüber spielte den ganzen Tag Chill Out Musik, die besser nicht hätte sein können. Wir spielten ein wenig Zirkus und verschenkten Haarspangen an vorbeifahrende Burner. Es war so entspannt. Wir tranken, redeten und schließlich schliefen wir alle im RV. Irgendwann nachmittags wachten Brian und ich auf und da alle anderen noch schliefen, beschlossen wir, mit dem Fahrrad zum Tempel zu fahren.


Ich bin nicht spirituell. Ich glaube an keinen Gott. Nachdem ich einige Bücher und Seminare zum Thema Meditation gelesen und besucht habe, glaube ein wenig mehr daran, daß ich mich und meine Stimmung beeinflussen kann. Aber was dort im Tempel passiert ist, war erstaunlich. Ich ging hinein und kam keine zwei Meter weit, bevor ich mich hinsetzen mußte. Es fühlte sich an, als ob ich mit einem Baseballschläger in den Magen getroffen worden und alle Luft aus mir entwichen wäre. Und zur selben Zeit sank eine unglaubliche Traurigkeit auf mich nieder. Mir war als wäre ich aus einem warmen, glücklichen Zimmer in ein eiskaltes, trauriges getreten. Ich fühlte mich so unendlich traurig. Bis zu diesem Moment war ich so glücklich, so unbeschwert. Aber dort fühlte ich plötzlich die gesamte Traurigkeit aller Menschen um mich herum. Jeder hatte etwas geliebtes verloren und trug seinen Kummer offen daher. Und ich fühlte mit jedem Einzelnen von ihnen. Ich war nicht selbst traurig. Nicht traurig für mich. Dazu habe ich keinen Grund. Aber mir war, als ob ich Blut spenden würde, oder besser, Glücklichsein und das Rote Kreuz nicht bei 500ml aufhört. Jemand hatte mich angezapft und sog alles Glück aus mir heraus. Und wie beim Blutspenden mußte ich mich hinsetzen, da ich nicht mehr genug Kraft hatte, zu stehen oder mich zu bewegen. Ich saß einfach nur da und weinte. Weinte für alle um mich herum, die so unglaublich traurig waren.

Brian kam schließlich wieder. Aber anstatt mich dort rauszubringen, erzählte er mir, daß er im August zwei sehr gute Freunde verloren hatte. Einen durch einen Motorradunfall, die andere hatte Krebs. August. Warum ist der August so grausam?! Ich nahm ihn in den Arm und gab ihm den Rest an positiver Energie, die noch in mir war. Mir war klar, daß ich nach diesem Erlebnis nicht mehr wirklich in der richtigen Stimmung für Parties war. All die Energie, all die positiven Gedanken, der Spaß. Ich fühlte mich so müde, so erschöpft. Nicht wirklich traurig aber auch nicht in Stimmung zum Feiern. Dennoch ging wir aus. Bereits am Nachmittag hatte der Sandsturm begonnen. Als wir zum Tempel fuhren, trugen wir Brillen und Mundschutz. Beim Ausgehen sah das besonders seltsam aus. Jeder hatte Masken auf und es war schwierig zu sehen, wohin man lief oder fuhr. Was nicht gerade dazu beitrug, meine Stimmung zu heben. Und wieder verabschiedete ich mich früher und fuhr zurück ins Zelt. Und fror.

Nächste Tag war noch entspannter als der Tag zuvor. Wir hingen nur beim Wohnmobil herum und lauschten der Chill-Out Musik unserer Nachbarn. Brian und ich machten uns auf, um das Piratenschiffswrack anzuschauen, von dem wir so viel gehört hatten. Da hatten sie tatsächlich ein Schiffswrack in die Mitte der Wüste gesetzt! Und später wurde es abgebrannt. Wir trafen noch auf einen laufenden, mannsgroßen Penis und, nachdem wir uns noch einmal in den Tempel gewagt hatten, auf Komplimentemann.


Der hatte es wirklich drauf. Von wegen, schöne Haare und tolle Beine. Er fand die tollsten und sehr ehrlich gemeint klingenden Worte für all die Dinge, die Du an dir selbst ziemlich super findest aber bei ihm kling es so eloquent und wunderbar, daß Du dich wie der schönste und wichtigste Mensch auf der ganzen Welt fühlst. Am Abend sollte dann der Mann verbrannt werden. Felipe und ich wollten uns kurz darauf auf den Heimweg machen, da ich am nächsten Tag an der Küste hoch fahren und den Rest meins Urlaubs antreten wollte. Ich schaute mir das ganze aus sicherer Entfernung vom Dach des Wohnmobils aus an. Ich bin kein Fan von großen Menschenmassen und wollte auch langsam nach Hause.

Und Felipe war sogar pünktlich, so daß wir uns um halb elf abends auf den Weg zurück nach San Francisco machten. Sieben Stunden, 360 Meilen, im Dunkeln durch Nevada und Nordkalifornien bis wir um halb sechs in San Francisco ankamen. Felipe pennte zwischendurch ein wenig und ich versuchte mich, mit lauter Musik und Americano auf Eis wachzuhalten. Wir luden Felipes Sachen aus und fuhren dann zu mir. Wo ich feststellte, daß mein Schlüssel ja im Leasingoffice lag, weil mein Freund Tim aus Deutschland vorher zu Besuch da war und ich verpeilt hatte, mir rechtzeitig von Mira den Ersatzschlüssel zu holen. Also lud ich alles aus und ließ Felipe losfahren, nachdem wir uns für mittags zum Wagenwaschen verabredet hatten. Nachdem der Nachtnotdienst mich in die Wohnung gelassen und ich geduscht hatte, fiel ich schließlich um halb sieben ins Bett. Nur um halb elf wieder aufzustehen, zu Frühstücken, zu packen und mich auf den Weg zum Wagenwaschen zu machen. Felipe hatte dann wieder einmal eine glorreiche Idee, ein wenig Geld zu investieren und den Wagen waschen zu lassen! Somit konnte ich mich direkt auf den Weg machen!

Und nach etwa siebeneinhalb Stunden und weiteren 260 Meilen auf einigen der schönsten Straßen, durch die schönste Gegen, die ich jemals gesehen habe, erreichte ich durchgefroren und mit extrem schmerzenden Hintern einen der schönsten Orte, den ich je gesehen habe. Ich schaffte es noch, zu Abend zu essen und mich zurück ins Hotel zu schleppen, nur um dann völlig erschöpft ins Bett zu fallen und 14 Stunden am Stück zu schlafen.

Bücher und Liebe

Andere Menschen sind anders als ich. Menschen, die ich kennenlernen und besser verstehen möchte. Interessant und individuell. Jeder anders, jeder besonders auf sein Weise. Jede Person ist ein Buch, das neu spannend ist und von Anfang bis zum Ende gelesen werden will. Je mehr Bücher man liest, desto besser versteht man alle anderen um sich herum. Man legt die Annahme ab, daß jeder gleich oder ähnlich funktioniert wie man selbst. Was letztendlich nur zur völligen Frustration führen kann.

Liebe ist, das Buch des anderen aufmerksam zu lesen und zu studieren. An bestimmten Stellen Worte oder Zusammenhänge nachzuschlagen, zu kommentieren und vielleicht auch Verbesserungen vorzuschlagen. Dem anderen zuzuhören, seine Sprache zu verstehen. Zu wissen wie er auf meine Sprache reagiert.

Die selbe Sprache sprechen, ohne Mißverständnisse. Und wenn sich diese Sprachen unterscheiden, die Sprache des anderen zu lernen bis zum letzten Idiom, Dialekt, zur letzten Eigentümlichkeit. Wissen, was der andere meint. Und obwohl man immer wissen sollte, was der andere meint, muß man nicht alles wissen, was der andere denkt oder tut.