Friday, April 19, 2013

Umziehen

Es ist offiziell. Ich werde in diesem Monat umziehen. Raus aus dem teuren Apartment mit Pool, Gym, Hot Tub, die ich so gut wie nie benutze, dem unschlagbaren Sonnenaufgang, den ich von meinem Wohnzimmer und Balkon aus sehen kann. Groß ist es auch. Relativ. Nicht relativ zu meiner alten Wohnung in Hamburg aber relativ zu der durchschnittlichen Wohnung in San Francisco. Die Wohnung, die nicht von einem Internetmillionär bewohnt wird. Ob man es glaubt oder nicht, es gibt auch Menschen in San Francisco und Umgebung, die nicht mit 18 Jahren ihr Start Up für ein paar Millionen Dollar verkauft haben.

Ich hatte schon eine Weile überlegt, auszuziehen. Die Miete war zu Beginn schon ziemlich hoch und da  hier nur alte Wohnungen mietpreisgebunden sind, habe ich jedes Jahr mit einer Erhöhung zu rechnen. Ein Blick auf den Mietspiegel zeigte mir, dass ich derzeit unterm Durchschnitt meines Stadtteils liege und somit wieder eine Erhöhung zu erwarten habe. Aber wie immer in meinem Leben vertraute ich darauf, dass etwas geschehen würde, was zur Lösung dieser Situation beitragen würde. Und das war auch der Fall. Zunächst einmal wurde bei der Arbeit mal wieder mein Team umstrukturiert. Zum dritten Mal innerhalb eines Dreiviertel Jahres. Was mich darüber nachdenken liess, mir einen anderen Job zu suchen. Gegebenenfalls sogar einen neuen Arbeitgeber. Praktischerweise habe ich vor kurzem meine Green Card bekommen, was bedeutete, daß ich nicht mehr an meinen Arbeitgeber gebunden war. Mein bisheriges Visum war an meine Firma gebunden. Somit hätte ich ab Verlassen derselben zwei Wochen Zeit gehabt, mir eine neue Firma zu suchen, die mir ein Visum sponsert. Aber nun muß ich nicht einmal mehr arbeiten. Theoretisch.

Der ganze Tumult und die Frustration bei der Arbeit führte dazu, dass ich spasseshalber einen Freund von mir, der in einer Obdachlosenküche arbeitet fragte, ob ich bei ihm als Küchenhilfe anfangen könnte. Gleichzeitig müßte ich dann aber auch bei ihm einziehen, da mich dieser Job zwar glücklicher machen würde als mein derzeitiger, aber mich definitiv nicht mit ausreichend Geld ausstatten würde, um in meiner Wohnung bleiben zu können. Es stellte sich heraus, daß zwar ein Zimmer in seinem Haus frei war, für etwa ein Viertel von dem was ich zur Zeit bezahle, daß dieses Zimmer aber sehr klein und sehr dunkel war. Dennoch hatte ich den richtigen gefragt. Sein Freund, der auch ein Freund und Kollege von mir ist, riet mir von eben dieser Dunkelkammer ab. Am Tag darauf leitete er mir ganz aufgeregt eine E-Mail eines seiner Freunde weiter, der einen Mitbewohner für seine Wohnung suchte. Ein günstiges Zimmer in einer recht großen, wunderschönen Wohnung mit Garten, Freisitz und Katze.

Ich schrieb ihm sogleich eine E-Mail und wir vereinbarten für den darauffolgenden Sonntag einen Besichtigungstermin. Pünktlich um elf Uhr stand ich vor der Tür. Die öffnete sich und im Türrahmen stand: mein Exfreund! Nun ja, nicht derselbe aber eine fast exakte Kopie. Gesicht, Augen, Statue, Größe, wie ein Zwilling. Nur jünger und schwul. Nachdem ich mich vom ersten Schock erholt hatte, schaute ich mich in der Wohnung um. Abgesehen von oder auch gerade wegen seines Aussehens, Barry war mir sofort sympathisch. Unaufdringlich, ruhig, und vor allem von Anfang an gleich sehr offen und gastfreundlich. Nun, die Wohnung insgesamt ist größer als meine derzeitige, die Küche der Hammer, es gibt einen großen Garten und Freisitz. In der Garage ist ausreichend Platz, um einen Teil meiner Möbel, mein Wakeboard, Fahrrad und sogar mein Motorrad unterzubringen. Mein Zimmer ist auch recht groß. Allerdings wurde mir ein wenig mulmig als ich den Kleiderschrank sah. Der erinnerte mich stark an den ersten Kleiderschrank, den ich als Kind hatte. Heißt: sehr klein. Von meiner Hamburger Wohnung zu der in San Francisco hatte sich mein Schrank bereits halbiert. Meine Mutter und Schwägerin haben sich sehr darüber gefreut, da ich mit ein paar Säcken aussortierter Klamotten auftauchte. Aber auch ich finde es doch immer sehr schön, hin und wieder mal eine bekannte Hose, Bluse oder auch ein T-Shirt wiederzutreffen.

Ich beschloß, den kleinen Schrank eher als kreative Herausforderung zu betrachten und konzentrierte mich auf die schönen Seiten der Wohnung. Ich könnte zum Beispiel ein Schuhmobile basteln, lediglich Unterwäsche in meinem Zimmer verwahren und zum vollständigen Anziehen in den Flur oder Keller gehen. Dazu sei zu sagen, daß im Flur kein Platz ist und der "Keller" nicht wie in Deutschland üblich über eine Treppe im Inneren des Hauses zu erreichen ist, sondern man eine Treppe im Freien nehmen muß. Somit stelle ich mir das in Unterwäsche zum Schrank mit den Hosen und Shirts zu laufen, im Winter doch eher etwas unangenehm vor. Selbst in Kalifornien.

Dennoch, üblicherweise sammelt sich ja in den Jahren, die man am selben Ort verbringt immer eine Unmenge von Müll an. Und je mehr Platz man hat, vor allem, wenn es einen Keller oder Dachboden, oder, Gott bewahre, beides gibt, desto mehr Müll wird es. Alles was eigentlich weggegeben, verkauft oder weggeworfen gehört, geht auf den Dachboden. Man weiß ja nie. Bis zu dem Tag, an dem man dann auszieht. Und sich nach ca. 20 Mal Treppe rauf und runter rennen wünscht, man hätte doch jedes Teil zum erstmöglichen Zeitpunkt weggeworfen.

Deshalb denke ich, daß meine derzeitige, wenn auch nicht ganz freiwillige Strategie eindeutig besser ist. Weniger Platz im neuen Heim. Dann sammelt sich auch weniger an und man überlegt ganz genau, was man behalten will und was definitiv wegkann.

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