Friday, June 29, 2012

Der beste Vater der Welt

Nachdem meine Mutter den Eintrag über sich voller Begeisterung nicht nur gelesen, sondern auch ausgedruckt und ihren Freundinnen vorgelesen hat, denke ich, es ist an der Zeit, auch etwas über meinen Vater zu schreiben.

Auch von ihm war nie viel Mitleid zu erwarten und auch er kannte viele Sprüche, wie z.B. "Das wird schon wieder." Stimmt ja auch. Es ändert meistens nichts an einer Situation wenn man sich lange grämt und jammert. Allerdings konnte er selbst sich recht lange über eine Sache aufregen. Verlorene Gegenstände, unerlaubt übernachtende Freunde. An dieser Stelle sei anzumerken, daß es sich jahrelang um den selben handelte. Anhand der Reaktion meiner Eltern hätte man denken können, es sei jedes Mal ein anderer gewesen :-).  Als ich älter wurde habe ich dann aber begriffen, daß er sich selbst die härtesten Standards setzt. Wenn er jemals etwas verliert, vergisst oder kaputt macht, dann ist die Aufregung und das Gemecker groß. Dann geht man ihm lieber aus dem Weg, bis er sich wieder beruhigt hat.

Es war und ist auch immer noch zwecklos, meinen Vater von etwas überzeugen zu wollen, das er nicht für eine gute Idee hält. Da können ihn keine zehn Pferde dazu bringen, seine Meinung zu ändern. Ich habe leider erst recht spät herausgefunden, wie er sich überzeugen läßt. Beziehungsweise, wie man ihn dazu bringt, sich mit dieser Idee anzufreunden. Einfach umsetzen, ohne vorher um Rat oder Erlaubnis zu fragen. Manchmal gibt es ein Donnerwetter aber oft findet er sich zunächst damit ab und nach und nach unterstützt er sie sogar. Auf seine Weise. Und manchmal, wenn es eine gute Entscheidung war, kommt sogar noch nachträglich ein Lob. Auf seine Weise. Als ich mir ein Motorrad gekauft hatte, war er alles andere als begeistert. Aber dann stellte er sicher, daß ich immer regelmäßig zur Inspektion ging, die Maschine über den Winter sicher in seiner Garage untergebracht war, wechselte das Öl, ohne mich dabei helfen zu lassen und kümmerte sich darum, daß meine Reifen gewechselt wurden als ich nicht nach Hause kommen konnte. Das andere Mal war er zunächst nicht begeistert, daß ich meinen Job kündigte und ein Studium begann. Aber als es dann kurz darauf in meiner alten Branche (einer Bank) bergab ging, war er dann doch dankbar und, glaube ich, ein wenig stolz, daß ich rechtzeitig ausgestiegen war. Und mittlerweile ist er sicherlich recht glücklich, daß ich meinen damals so "sicheren" Job gekündigt habe.

Grundsätzlich kann man meinem Vater auch nicht übelnehmen, daß er seine Meinung über die aller anderen stellt. Mein Vater kann und weiß nahezu alles. Außer kontemporärem Trivialwissen vielleicht. Wenn er etwas nicht kann, dann lernt er es. Manchmal weil er will, manchmal weil er muß. Aber alles wichtige kann er. Wir brauchten nie einen Handwerker, Maler, Elektriker, Klempner oder sonstigen Techniker. Er baute, renovierte, reparierte alles. Jeder Raum in unserem Hause wurde seit dem Hausbau mindestens zwei Mal renoviert. Als ich vier Jahre alt war, hat er den kompletten Dachboden ausgebaut und jedem von uns ein 20qm Zimmer verschafft auf das all unsere Freunde neidisch waren. Nicht zu vergessen den Spielflur, der auch etwa so groß war. Und ein eigenes Bad! Basierend auf meinen Entwürfen hat er mir eine komplette Einrichtung für meine Monchichis geschreinert. Zusammen mit meiner Mutter hat er uns eine große Kiste Bauklötze zugesägt und gefeilt. Die wurden jahrelang freudig und fleissig für alle möglichen Zwecke verwendet. Und das allerschönste Geschenk, das ich jemals bekommen habe, war ein selbst gemachtes Schaukelpferd. Mal davon abgesehen, daß es ein richtiges Schmuckstück ist, war es auch ein großartiges und versatiles Spielzeug. Und das beste an diesem Geschenk war, das es derart liebevoll geschreinert war, daß mir heute noch ganz warm ums Herz wird, wenn ich es in meiner Wohnung stehen sehe. Nach 32 Jahren und jahrelanger Extrembelastung sieht es immer noch perfekt aus und wird für immer mein liebstes Möbelstück und Spielzeug bleiben.

Auch wenn ich damals oft erheblich anderer Meinung war, bin ich ihm für vieles dankbar. Die Wertschätzung für Geld, zu verstehen, daß man nicht alles haben kann, was man will. Oder, daß man zumindest hart dafür arbeiten muß. Die Fürsorge für andere, sich um sich selbst als letztes kümmern, erst dann, wenn es allen anderen in der Familie gut geht. Nicht lange rumeiern und jammern, sondern anpacken und ändern, was einen stört.

Wenn ich ihn heutzutage mit meinen Nichten umgehen sehe, dann bin ich ein wenig gespalten. Einerseits wünschte ich mir, er wäre mit uns so entspannt umgegangen. Die beiden werden seitdem sie 3 Jahre alt sind regelmäßig zum Friseur gebracht und bekommen, unter anderem, die Fingernägel lackiert. Bei mir wurde ein Riesentheater gemacht, als ich mit 16 Jahren anfing, mir die Beine zu rasieren. Andererseits freut es mich, ihn mit den beiden zu sehen. Die bedingungslose Liebe, die die beiden ihm entgegenbringen, hat ihn viel weicher und entspannter werden lassen. Ich weiß, daß mein Bruder und ich nie so herzlich mit ihm umgegangen sind und das bereue ich heute ein wenig. Aber dank der zwei Wirbelwinde bekommt er nun endlich die offene Zuneigung und Wertschätzung, die ihm zusteht!

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